Liebe LeserInnen und Leser,
diesen Brief und die Fotos im Karussel schickten mir Madeleine und Heiri für die Rubrik „Wer ist jetzt wo?“. Auch hier habe ich im Text nichts geändert, damit alles ganz authentisch bleibt. Das Titelfoto zeigt das Gebiet um den einstigen Spar in La Laguna, das heute komplett von der Lava überspült ist. Dort stand auch das Haus des Ehepaars aus der Schweiz.
„Stärker als der Vulkan“
Vom „Nie mehr La Palma“ zum Holzhaus
Liebe Gudrun,
Dein Buch „Lavasteinzeit“ ist schwere Kost für uns, obwohl uns auch einige Kapitel zum Schmunzeln bringen und alte Erinnerungen wecken. Ja, das waren Zeiten in Puerto Naos… Wir kennen die Insel ja auch schon seit bald 25 Jahren, von denen wir 15 als Resis gearbeitet haben. Ganz so viel erlebt wie Du haben wir nicht, aber doch auch einiges als auf La Palma arbeitendes Volk.
Vom Untergang unseres Hauses im El Pedregal zu lesen, war nicht einfach. Alles Hoffen und Beten half nichts. Leider konnten wir dieses, unser Schmuckstück, welches wir mit Herzliebe und Muskelkraft zu unserem neuen Zuhause umgebaut hatten, nur drei Jahre genießen.
Geplant war dieses Heim, um uns nun unser Rentnerleben zu versüßen. Pflegeleicht, nicht zu groß, genau richtig, um hin und her zu pendeln, etwas Schweiz und etwas Isla Bonita. Aber der Vulkan hatte andere Pläne mit uns…
Zum Glück mussten wir nicht aushalten, was Ihr aushalten musstet, ich bin mir nicht sicher ob ich das geschafft hätte. Denn als „Jungfrau“-Geborene ist mir Sicherheit und vorbereitet sein auf alles, was da kommen möge, unglaublich wichtig. Da geht es mir anscheinend wie Dir, Jungfrauen eben. Und dieses Monster ließ wohl nicht viel Raum für Vorbereitung und Organisation.
Die schönen Fotos von Deiner Tiffany-Kunst in Deinem Buch bringen mir wieder so einiges vor mein inneres Auge, was alles mit unserem Haus unterging, so wie die Lampe, welche ich auf einer Deiner Messen erstanden habe. Schade drum, wie so vieles andere auch.
„Nie mehr La Palma“ war mein erster Gedanke, nachdem wir vernommen hatten, dass der Vulkan sich doch noch entschlossen hatte, auch all die schönen Häuser mit ihren liebevoll gepflegten Gärten im El Pedregal unter sich zu begraben und alles mit einer unglaublich hohen Lavaschicht zu bedecken. Irgendwie war es jetzt genug. Zuerst hatten wir wegen dem Feuer im Sommer 2021 gebangt, dann bangte ich wegen der Krankheit meines Mannes und jetzt noch diese Katastrophe. Auch wollte ich mir nicht antun, diese Zerstörung von Todoque und einem Teil von La Laguna zu sehen. Das waren die beiden Orte, welche zu unserer zweiten Heimat geworden waren. 25 Jahre – 15 davon durften wir in unserem Ferienhaus Gäste begrüssen, um ihnen die schöne Insel noch schöner zu gestalten. 15 Jahre, wichtige Jahre, schöne Jahre, anspruchsvolle Jahre. Doch nun durchkreuzte der Monster-Vulkan unsere Pläne, wo und wie wir unsere Zeit als Rentner verbringen. Ausgerechnet jetzt, wo wir uns doch so gut auf unsere Pensionszeit vorbereitet hatten. Mit diesem passenden Haus, perfekt um zu pendeln zwischen La Palma und der Schweiz.
Doch ganz ohne die Insel ging es dann doch nicht: Im Februar 2022 flogen wir nach La Palma, um den Papierkram zu erledigen, den alle vom Vulkan Betroffenen abwickeln mussten. In der Casa Massieu standen mir die Tränen in den Augen, als ich als erstes ein Foto unseres Hauses mit dem schönen Garten in den Akten erblickte. Ich war bestimmt nicht die Einzige in diesem Büro, der es so erging.
Wie viele Menschen saßen wohl schon auf diesem Stuhl und wussten nicht mehr ein und aus? Da waren wir besser dran, wir hatten noch einen Rückzugsort in der Schweiz. Bei unserem Aufenthalt auf La Palma spürte ich dann plötzlich, dass ich es wohl nicht lange ohne die Insel aushalten würde. Auch wollten wir die Menschen hier und unsere Freunde nicht einfach so im Stich lassen.
Die Isla Bonita hatte es nicht verdient, dass man ihr schnöde den Rücken zukehrt. Wir hatten so viele wunderschöne Jahre hier verbracht, jetzt einfach abzuhauen, das wollten wir dann doch nicht. Die Menschen hier mussten unterstützt werden, wie auch immer.
Außerdem hatten mein Mann und die Familie längst wieder andere Pläne geschmiedet, und so sahen wir uns nach etwas Neuem, Bezahlbarem um. Schnell merkten wir: Das ist ein schwieriges Unterfangen. Alles unbezahlbar für unser Portemonnaie. Aber dank unseren lieben palmerischen Freunden kamen wir dann in den Genuss, ein Stück Land zu kaufen, welches ausschließlich Vulkanopfern zur Verfügung stand, und dessen Besitzer sich an die vorgegebenen Verkaufspreise hielt. Viele andere hatten keine Skrupel, die Geschädigten noch mehr auszusaugen.
Ja, so kam es wie es kommen musste, jetzt sind wir wieder auf der Insel! Derzeit warten wir auf unser Holzhaus, welches wir in Barcelona bestellt haben, und hoffen, dass alles einigermaßen schnell geliefert und aufgestellt wird. Für ein Holzhaus haben wir uns entschieden in der Hoffnung, dass dieses neue kleine Paradiesli schnell bewohnbar ist. Mit 70 und 65 bleibt uns vielleicht nicht mehr allzu viel Zeit.
Liebe Gudrun, viele Grüsse aus unserer jetzigen Bleibe im El Drago welches wir einst betreut und verwaltet haben. Unser Freund lässt uns hier so lange wohnen, wie wir möchten, obwohl er auch schwer getroffen wurde in Todoque. Freundschaft und Zusammenhalt, nur so können wir alle diese Zeit des Wiederaufbaus in La Palma überstehen. Zusammen sind wir: Más fuertes que el Volcán!
Magdalena und Heiri