Alex strampelt auf die Isla Bonita
Berlin – Cádiz – La Palma: rund 3.000 Kilometer mit dem Rad
Alex Neubert ist auf großer Tour. Der 62-jährige will rund 3.300 Kilometer von Berlin nach La Palma auf einem Gravelbike runterreißen – das ist im Prinzip ein Rennrad mit etwas breiteren Reifen. Am 30. August strampelte er los mit dem Plan, am 3. Oktober die Fähre in Cádiz zu erwischen. Dies ist Teil 1 des Fahrradreiseberichts. Zu Teil 2 geht es hier.
Alex ist in Berlin kein Unbekannter, denn als Käpt´n der Bike Piraten in der Schönhauser Allee 41 verkauft er gebrauchte Räder und repariert Stahlrösser. Auch auf La Palma kennen ihn viele – zumindest in der Taucher-Szene. Vor der Schließung von Puerto Naos beim Vulkanausbruch sprang der begeisterte Submarinist in der Tauchpartner-Station öfter mal ein, wenn Barbara und Georg in Deutschland waren.
Außerdem haben Alex und seine Frau Christine auf der Isla Bonita ein Haus, in dem sie so oft wie möglich urlauben und in dem natürlich jede Menge Bikes rumstehen.
Die Idee, mit dem Fahrrad nicht nur über, sondern auf die Insel zu fahren, hatten die beiden schon länger. Allerdings, so Chrissie, habe sie dann schlussendlich gekniffen. Was sie jedoch inzwischen schon „fast wieder bereut“. Denn das Ehepaar liebt große Touren – unter anderem erkundeten sie schon Neuseeland mit dem Drahtesel.
Alex bringt also alles Erforderliche für die Berlin-La Palma-Challenge mit: Kondition, technisches Know-how und obendrein eine gehörige Portion Ehrgeiz.
Ich drücke ihm die Daumen, dass er die Herausforderung packt. Und damit seine Freunde und interessierte RadlerInnen sehen können, wie´s läuft, veröffentliche ich hier im Lavastein-Blog den Verlauf seiner Reise. Mit vielen Bildern, weil Alex abends meistens ziemlich geschrottet sein dürfte und gar nicht mehr viel reden will. Das zeigte schon Tag 1, an dem er nicht ganz freiwillig acht Stunden lang seine Waderln trainieren musste.
Übrigens offenbart das Titelbild mit dem Bären den typischen Humor des – fast – immer gutgelaunten Bikers. Das Foto schickte er mir am Morgen des 31. August und schrieb: „Er fährt weiter… mein neuer Kamerad aus Calbe…“ Diese Info stürzte mich in eine gewisse Verwirrung, aber Chrissie klärte mich auf: Ihr Mann sei ein „Finder von Kuriositäten“, und das Bärending habe wahrscheinlich „irgendwo rumgelegen“. Normalerweise würde es Alex gleich mitnehmen, weiß seine Frau. Also, wenn er mit dem Auto unterwegs wäre. Auf sein Gravelbike passen allerdings nur er selbst und ein circa acht Kilo schwerer Rucksack.
Di, di, di, di – di, di, di, di – di, di, di, diiii… Ein kleiner Tusch mit dem Akkordeon für Alex Neubert, der am 12. September 2023 das Bergfest seiner Tour von Berlin nach La Palma feiern konnte! Von den insgesamt rund 3.000 Kilometern bis zur Fähre nach Cádiz hat er jetzt weit mehr als die Hälfte geschafft. Und das an Tag 14! Sprich: Er liegt sehr gut in der Zeit, denn die Trasmediterránea nimmt erst am 3. Oktober Kurs auf La Palma.
Das Selfie des heutigen Tages sagt alles: Selbst nach der wohl bisher härtesten Tagesetappe von Boussac nach Limoges mit 12 Aufstiegen auf 130 Kilometern und sich einmal verfranzen kriegt unser Held mit den strammen Waderln das Grinsen nicht mehr von der Backe. „Von jetzt an fahre ich nach vorn und nicht mehr von hinten her.“
Alex zeigt nun beim Lächeln sogar mal die Zähne, bisher war er immer so ernst auf den Selfies. Dabei ist er doch eigentlich ein recht fröhlicher Zeitgenosse. Aber Tag 14 war eben ringsum ein Tag der Freude: Drei Stunden Regen und sinkende Temperaturen erfrischten den hitzegeplagten Biker. In seiner Regenjacke flitzte er fröhlich durch den Trief, und als Höhepunkt durfte er ein Gewitter genießen. „Neben mir hat´s geknallt und gekracht“, freute sich Al Biky über das Feuerwerk zum Bergfest. „Zum Glück waren die Blitze weiter weg.“
Positiv in die Waagschale – oder besser gesagt aus der Waagschale – fiel, dass Alex seinen Akku endlich mal mit den Feigen aufgeladen hat, die er seit Deutschland im Rucksack rumschleppt. Und auch die Regenjacke am Körper sparte Gewicht auf dem Buckel.
Soweit, so gut: „Wenn nichts passiert, sehe ich in drei bis vier Tagen den französischen Atlantik“, blickt Alex nach vorn. „Aber man weiß ja nie… Fahrradfahren ist halt kein Heimspiel.“
Ich – und gewiss auch die Leserinnen und Leser des Lavastein-Blogs – wünschen unserem Berliner auch auf dem zweiten Teil seiner Reise gutes Wetter und viel Glück!
Den zweiten Teil des Radreiseberichts von Alex Neubert nach La Palma habe ich in einem neuen Bild-Text-Block veröffentlicht. Grund: Das Dokument der ersten 14 Tage war so voll, dass das Hochladen und Speichern auf Word Press langsam kompliziert wurde. Hier geht es zum zweiten Teil der Fahrradreise Berlin-La Palma.
Tag 13: Monstertour durch Südfrankreich
Alex strampelte konsequent weiter nach Südwesten, von Moulins nach Boussac. Hier, in der Mitte Südfrankreichs, stand ihm allerdings das französische Zentralmassiv im Weg. „Das waren heute zwar nur so um die 115 Kilometer, aber es war eine Monstertour mit 1.200 Höhenmetern und vier großen Steigungen“, berichtet unser Abenteurer. „Was aber wirklich killt, ist die wellige Strecke, es geht laufend 100 Meter runter und 100 Meter wieder hoch.“
Nach seinem zum Glück sehr frühen Start dank 6-Uhr-Frühstück im Hotel passierte Alex bei noch relativ kühlen Temperaturen eine ganze Weile gepflegte Landschaften mit Kühen und Schafen bei angenehmen Temperaturen. Dann wurde es wieder richtig heiß, aber er fuhr viereinhalb Stunden durch, bevor er sich eine Pause gönnte. Leider musste er nun eine leidvolle Erfahrung machen: „Das Problem ist, dass es in den kleinen Dörfern keine Läden mehr gibt und auch keine Restaurants oder Hotels“. Fazit: akuter Wassermangel, denn Alex kann die vielen Liter, die er täglich braucht, nicht mitschleppen. Die Lösung: Er entdeckte, dass es auf den Friedhöfen immer Wasser gibt, das wohl auch trinkbar ist.
Anschließend ging der Berliner in eine Kirche und zündete eine Durchhaltkerze an. Denn er hat am 12. September den bisher härtesten Tag mit 1.700 Höhenmetern und sieben großen Steigungen vor sich. Ob Alex fromm ist, weiß ich nicht, aber ein bisschen Schutz von oben kann bei einer solchen Fahrt mit einem Verkehrsmittel ohne Dach nicht schaden.
Last but not least: Alex wäscht sein schnelltrocknendes Trikot und seine Hose jeden Abend unter der Dusche. Die atmungsaktive Kleidung stammt übrigens wie sein Bike aus der edlen Radmanufaktur Wilier-Triestina. Richtig, bei einer solchen Tour sollte man weder am Rad noch an korrekten Klamotten sparen. Kleiner Verbesserungsvorschlag: Der norditalienische Hersteller könnte noch an seinen Hosen arbeiten. Die sind zwar gepolstert, haben aber noch keine automatische Penatencreme-Einspritzung. Und ohne den Babypopo-Protektor läuft es laut Alex unterwegs einfach nicht wie geschmiert.
Tag12: Alex radelt durch die Mitte Frankreichs
Alex ließ die Schweiz im Osten liegen und fuhr in südwestlicher Richtung über Dijon nach Moulins im Herzen Frankreichs. Damit nähert er sich dem Bergfest seiner Berlin-La Palma-Tour, die er jetzt schon bis Pamplona festgelegt hat. Wie eingangs mal gesagt: Alex plant mehr oder weniger spontan, welche Strecke er nimmt. Das funktioniert dank der KOMOOT-App, von der er mehr als begeistert ist.
Allerdings machen es ihm das Gelände mit ständig mehr Höhenmetern und die Hitze nicht leicht. Schon beim Start morgens um 9 Uhr zeigte das Thermometer 33 Grad, am Ziel in Moulins waren es 35. „Man muss einfach durchfahren und früh los, damit man vorm Nachmittag am Ziel ist, weil es dann richtig heiß wird“, so Alex. „Aber das ist nicht immer möglich, weil nur wenige Hotels das Frühstück schon zwischen 6 und 7 Uhr servieren.“
Sein Durchhaltevermögen hat ihm freilich bereits einen kleinen Sieg beschert. In seinem Berliner Fahrrad-Club steht er nun mit mehr als 798 Wochenkilometern auf Platz 1 der Bestenliste (siehe Screenshot rechts unten). „Das ist das erste Mal, bisher lag ich immer ganz, ganz weit hinten, denn da sind sehr gute Leute unterwegs“, lacht er. „Da müssen sich die anderen anstrengen, denn ich fahr weiter, und mit den Höhenmetern haben sie in Berlin ein Problem.“
Nicht zu vergessen: Unser Marathon-Bike-Man ist mitsamt Gepäck nach vorn geradelt. Die Konkurrenz in der Bundeshauptstadt hat wohl kaum einen acht Kilo schweren Rucksack auf dem Buckel. Und da stellt sich doch die Frage, was ist da eigentlich drin? Alex packt aus: „Eigentlich viel zu viel. Zwei Trikots, eine Hose, drei Unterhosen, zwei T-Shirts, drei Paar Strümpfe, ein Kulturbeutel und ein Handtuch, Medikamente und Pflaster, eine Regenjacke, Werkzeug, Trockenfrüchte und Notfallriegel – die sollte ich vielleicht mal aufessen, die wiegen ein Kilo.“ Gute Idee. Essen durch Frankreich zu schleppen ist schließlich wie Sand an den Strand zu tragen.
Tag 11: Es wird immer härter
Man hört förmlich die Akkordeons spielen, wenn Alex seine Fahrt am 9. September durch die Traumlandschaften der Bourgogne mit Wäldern, Weinbergen und Chateaus schildert. Französischer geht´s nicht. Aber die 125 Kilometer nach Montceau de Mines waren knüppelhart. Nicht zuletzt, weil 600 Höhenmeter zu bewältigen waren, und ihm eine „Monster-Gravel“-Strecke durch den Wald eine zusätzliche Stunde Fahrt abverlangte.
Das alles bei 32 Grad, da hatte unser Bike-Man überhaupt kein Problem, an den überall angebotenen Weinverkostungen vorbeizufahren. Zum Überleben half nur, in jeder Pause literweise Wasser in sich reinzuschütten. „So langsam geht´s an die Substanz“, zieht er am Abend Bilanz. „Hoffentlich sinken die Temperaturen bald wieder, aber ich krieg das schon irgendwie hin.
Sein angeborener Optimismus lässt ihn durchhalten. Und die Eindrücke am Wegesrand, die wohl öfter Anreiz zum Wiederkommen bieten. „Überall wurde Wein gelesen, und alles von Hand, das ist eine Wahnsinnsarbeit“, erzählt Alex. „Diesen Wein muss man wirklich genießen, wenn man sieht, was dahintersteckt.“ Wohl wahr, denn man muss auch ordentlich was dafür hinblättern: Die meisten der teuersten Rebsäfte der Welt kommen aus dem Burgund, darunter neun der zehn Crus.
Tag 10: Es wird immer heißer…
Am 8. September stieg Alex auf dem Europäischen Radwanderweg entlang des malerischen Flusses Doubs im französischen Jura in die Pedale und kam planmäßig voran. „Habe mir in Dole ein bisschen Zeit gelassen, um die schöne alte Stadt zu besichtigen, aber das war doof“, erzählt er. Grund: Als unser Mann mit Sinn für antike Architektur nach Besançon weiterradelte, stand die Sonne schon hoch, und das Quecksilber kletterte auf 32 Grad. Fazit: Alex schüttete vier bis fünf Liter Wasser in sich rein und war abends hundemüde.
Das klang dann so auf der Whatsapp-Message: „Heute, gähn, nur am Kanal entlang, gähn. Tolles Hotel gefunden, gähn. Dann Carbonara, Salat und Bierchen, gähn, gähn. Total nette Leute, gähn, gähn, gähn. Echt, gähn, schön, schnarch…“
In puncto Verständigung in Fronkraisch berichtet Alex übrigens, dass er sich mit einem Mix aus Spanisch, Englisch und Französisch sowie „Wörtern aus dem Internet“ durchschlägt. Das funktioniere, auch wenn sich „alle immer totlachen“. Ich stelle mir das so vor, wenn er sein Abendessen bestellt: „Por favor, traiéme something against hunger y une bière, s’il vous plaît!“ Aber egal, Hauptsache die Bedienung versteht das Schlüsselwort.
Tag 9: Alex düst vom Elsass ins Burgund
Alex ist heute schon ein ganzes Stück nach Frankreich hineingeradelt. Genauer gesagt 144 Kilometer vom Elsass bis in die Region Bourgogne-Franche-Comté, in die schöne alte Stadt Clerval.
Es läuft, das sagt uns schon die Kilometerzahl, aber lassen wir es Alex ausführen: „Fast 100 Kilometer an Kanälen lang, aber super-schön und viele Leute unterwegs. Und ich kann es morgen etwas gemütlicher angehen lassen“.
Zwei Dinge unterscheiden das Biken in Frankreich von dem in Deutschland: Zum einen sieht Alex auf den Radwegen nicht nur „95 Prozent E-Bikes wie in Allemagne, sondern auch viele normale Räder“. Und weil die nicht nur mit einem Affenzahn an ihm vorbeisausen, hat er auch gleich einen netten Monsieur auf einem Rennrad kennengelernt und zehn Kilometer lang mit ihm parliert, dann musste sein Sportsfreund rechts und Alex links abbiegen. In welcher Sprache die Konversation lief, habe ich bisher noch nicht rausbekommen. Aber man munkelt ja, dass Alex in dieser Hinsicht sehr talentiert sein soll. Mit Händen und Füßen ging´s wohl nicht, die klebten ja an den Rädern.
Das andere Ding, an dem Bike-Man merkt, dass er in Frankreich unterwegs ist: Natürlisch – Sie haben es erraten! – das Abendessen. Seine Herbergsleute in Cerval speisten ihn natürlisch nicht mit einem einzigen Gang ab. Vielmehr servierten sie ihm einen warmen Salat zur Vorspeise, einen Hamburger mit Pommes zum Hauptgang und ein wundervolles Schoko-Dessert. Und dazu gab es natürlisch kein profanes Bier, sondern immer die passenden Weine. Und mir deucht, dass auf den Fotos sogar ein Schnapsglas um die Blumenvase rumwandert… Oh la la!
Irgendwie hat Alex seine volle Wampe dann ins Bett geschleppt. Aber das ist ja das Schöne am Radeln: Die Kalorien strampelt man am nächsten Tag ganz lässig wieder weg.
Tag 8: Testfahrt und wieder Balken!
Allen, die die Hammertour von Alex Neubert von Berlin nach La Palma mitverfolgen, dürfte ein Stein vom Herzen fallen: Er ist wieder online on the road, es kann weitergehen!
In einem Internetladen erfuhr er am 6. September, dass im Breisgau über Dutzende Kilometer am Rhein entlang ein „Sauerstoff“-Loch klafft. Also keines dieser Ozon-Dinger mit drei Os, sondern ein solches mit zwei Os. Weil sich das Aufstellen von Masten hier wohl für diesen Provider nicht lohnt, haben Reisende wie Alex einfach Pech gehabt und keinen Empfang. Deshalb hat er am achten Tag seiner Reise eine Testfahrt nach Frankreich hinein unternommen. Und sieheda: „Nach circa 20 Kilometern hatte ich dank einem französischen Netzbetreiber wieder Balken.“
Wer jetzt denkt, Alex habe danach die Beine hochgelegt, der irrt. Einfach so zum Spaß brachte er in knapp vier Stunden 96 Kilometer auf den Tacho, indem er kurz mal nach Mulhouse fuhr. Dort gab´s ein schönes Päuschen auf dem Marktplatz. Dann wieder zurück nach Breisach zum Sauerbraten-Dinner.
Am 7. September kann unser Biker also endlich die Frankreich-Strecke in Angriff nehmen und wieder weiter Richtung La Palma rollen. Nous croisons les doigts pour lui – wir drücken ihm die Daumen!
Tag 7: Die verflixte Sieben schlug zu
Am Morgen des 5. September strampelte Alex noch fröhlich durch Apfelplantagen und malerische Dörfer, genoss die Kühle des Morgens und dachte, „super, das wird wieder ein schöner Tag“.
Aber denkste! Während er über Kehl und an Straßburg vorbei nach Breisach am Rhein radelte, braute sich das Unglück über ihm zusammen: Plötzlich hatte er kein Internet mehr – das ist sehr schlecht, denn er kann unterwegs nicht mehr auf seine KOMOOT-App zugreifen und die Strecke checken beziehungsweise den nächsten Tag planen. Chrissie telefonierte von Berlin aus mit seinem Provider, aber die konnten das Problem der Balkenlosigkeit auch nicht lösen. Dabei ist Alex sicher, dass er sein Datenvolumen noch längst nicht verbraucht hat, von 120 Giga-Bite müssten noch so um die 117 übrig sein.
Und weil ein Unglück selten allein kommt, ging´s in Kehl gleich ätzend weiter: Alex hatte den zweiten Platten auf seiner Berlin-La Palma-Tour.
Auch blöd: Eines der beiden Fahradgeschäfte der Stadt war wegen Urlaubs geschlossen, das zweite machte erst nachmittags auf. Aber dann hatte Alex wenigstens ein bisschen Glück im Unglück: Ein paar Mitarbeiter arbeiteten schon vor Ladenöffnung im Keller und tauschten ihm flott seinen Hinterreifen. Ja, Biker halten zusammen…
Bei all dem Hick-Hack hatte Bike-Man vergessen, rechtzeitig genügend zu trinken. Und das bei Temperaturen um die 29 Grad. Gar nicht gut… Da standen plötzlich am Radweg entlang des Canal de Rhone de Rhin wie von der guten Fee hingezaubert eine Bank, ein Sonnenschutz und ein Kanister mit Wasser. „Den hat wohl ein Franzose für die vielen Radler hingestellt, die hier vorbeikommen“, freute sich Alex ein Loch in den Bauch, den er dann sogleich mit jeder Menge H2O füllte.
Abends schlug das Pech gleich nochmal zu. Am Zielort Breisach waren alle Gaststätten geschlossen, woraufhin sich Alex an einem Stand einen Fladenkuchen reinzog. „Döner geht gar nicht, wenn man sportlich unterwegs ist, da wird´s mir schlecht“, hörte ich den hungrigen Mann auf Whatsapp brummeln. Kein Zweifel, es hat nicht viel gefehlt, und er hätte seine gute Laune verloren.
Wir drücken unserem Marathon-Biker die Daumen, dass es am 6. September besser läuft. Und vor allem, dass der Provider, der sich mit einem chemischen Kürzel benannt hat, ihm sauerstoff-gepowert aus der Patsche hilft.
Tag 6: Alex saust durch die Rheinebene
Heute ließ Alex es mal badensisch gemütlich angehen: „nur“ 107 Kilometer hatte er auf der Uhr, nachdem er durch die wunderbar flache Rheinebene nach Rheinmünster pedaliert war. Und alla hop war alla gut, insbesondere bei der kleinen Pause im Biergarten, die er sich ausnahmsweise gönnte, denn es war 28 Grad heiß! Zuerst hatte der Plan allerdings ganz anders ausgesehen: „Ich hatte überlegt, 210 Kilometer nach Breisach durchzufahren, aber dann war mir das zu riskant, ich wäre völlig fertig gewesen. Und man soll seine Kondition ja nicht an den Rand des Wahnsinns treiben.“
Denn die wird von Tag zu Tag besser. Inzwischen fährt Alex morgens zwischen 80 und 100 Kilometer ohne Pause, danach, gibt er zu, „tut´s allerdings etwas weh“. Heute übertraf er sich selbst: „Habe meine schnellste 40-Kilometer-Zeit gefahren mit einer Stunde, 35 Minuten“. Unser La Palma-Alternativ-Reisender fühlt sich gut, will nicht mehr so sehr in die Kilometer gehen, und der Zeitplan stimmt bisher auch. Morgen will er die Fahrt durch Frankreich planen, die er auf zehn Tage veranschlagt.
In Sachen Material gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Die gute ist, dass Alex noch rechtzeitig bemerkte, dass das Ventil seines letzten Reserveschlauchs nicht zu seinen hohen Felgen passt, und schnell zwei neue, passende Schläuche gekauft hat. Deshalb rät er, immer die Etiketten genau zu lesen. Die bad news: Der Hinterreifen seines Gravelbikes ist schon recht abgefahren. „Mal sehen, wie weit ich damit noch komme.“
Aber noch geht´s voran: Am Donnerstag will Alex die 1.000-Kilometer-Marke knacken! „Ich komme näher“, grüßt er seine Fans auf der Isla Bonita. Ist das eine Drohung? Nein, wir freuen uns auf den mutigen Ritter auf seinem edlen Stahlross!
Tag 5: Alex wird von E-Bikern umzingelt
Unser Mann saß auch am fünften Tag seiner Mammuttour fest im Sattel. Was gar nicht so einfach ist, denn der Popo schmerzt inzwischen, obwohl Alex sich extra mit einer Spezialcreme vor der Dauerbelastung schützt. „Da muss ich durch“, lacht er und strampelt am Sonntag sagenhafte 142 Kilometer in knapp sieben Stunden von Schlüchtern bis Schliersheim kurz vor Heidelberg.
Gutes Wetter und schöne Landschaften im Süden Deutschlands tun seiner einsamen Seele gut, aber die Erfahrung zeigt: „Nach circa fünf Stunden wird´s hart, man muss sich durchbeißen“.
Ganz im Gegensatz zu den „hunderten E-Bike-Fahrern“, die ihm an so einem sonnigen Sonntag auf dem Main-Kinzig-Radweg entgegenkamen oder ihn überholten. Alex wünschte sich wohl streckenweise auch so einen stromgedopten Drahtesel, vor allem aber beneidete er die Batterie-Pedalisten um ihre Einkehrschwünge in die Biergärten entlang der Strecke.
Alex kann sich so einen Ausrutscher nicht erlauben, sonst klappt es nicht mit dem Tageskilometerschnitt. Erst abends darf er es sich gemütlich machen. Auch im Blick auf die Hotels hat unser Radreisender dazugelernt: Heute rief er tagsüber in einer Pause im gewünschten Gasthof in Schliersheim an und fragte, ob ein Zimmer frei sei. Das ist nämlich um diese Jahreszeit oft nicht der Fall, hat Alex feststellen und so manchen Abend hundemüde noch mühsam nach einer Schlafstelle suchen müssen. Grund: viele Leute haben noch Ferien, Pensionen und Hotels sind besonders in kleinen Gemeinden oft ausgebucht.
Tag 4: Alex ist jetzt in Hessen
„Hatte heute echt Glück, morgens Nebel, und dann wurde es wunderschön.“ Gutes Wetter wirkt sich positiv aus, Alex schaffte am vierten Tag 122 Kilometer und 1.100 Höhenmeter. Über Philippsthal, Hünfeld und Fulda landete er nach fünfdreiviertel Stunden Fahrt im hessischen Schlüchtern. Sogar die Reparatur eines Platten war da noch drin. „Verdammte Hacke, ich wusste gar nicht warum der Reifen plötzlich platt war, weil ich darauf achte“, erzählt Alex. „Aber in irgendeiner Kurve hat es mich erwischt.“ Aber dem Kapitän der Bike Piraten in Berlin macht sowas kein Kopfzerbrechen. Hurtig den Schlauch getauscht. Und weiter ging´s.
Es geht unserem Radler gut, so langsam findet er seinen Rhythmus: „70 Kilometer am Morgen und 50 nach der Mittaspause, das kann man ganz gut fahren, vorausgesetzt, es sind nicht allzu viele Höhenmeter.“
Und vorausgesetzt, man ernährt sich richtig. Alex setzt auf Müsli und Obst am Morgen, Bananen und Äpfel unterwegs und ein Brot in der Mittagspause. „Ein komplettes Mittagessen in einem Gasthof ist nicht zu empfehlen, das tut hinterher weg im Magen.“ Und natürlich gilt: Je wärmer es wird, umso mehr muss der Biker trinken. An einem sonnigen Tag wie heute pumpt Alex schon mal vier bis fünf Liter Wasser ab. „Sonst dehydrierst Du, das ist echt gefährlich, man muss einfach mehr Pause machen.“ Cerveza gibt´s erst am Abend, und dann natürlich auch eine ausgiebige warme Mahlzeit.
Tag 3: 100 Kilometer durchs schöne Thüringen
Alex hat sich vorgenommen, jeden Tag rund 100 Kilometer zu machen. Und so fing der dritte Tag seines Berlin-La Palma-Abenteuers in dieser Hinsicht gut an. Bei Sonnenschein pedalierte er fröhlich rund 60 Kilometer durch Thüringen und war total begeistert: „Tolle Strecken für Bikes im Wald, kilometerlange Gravelroads, die haben total viel gemacht“. Anschließend legte er eine gemütliche Mittagspause bei seinem Großhändler in der mittelalterlichen Reichsstadt Mühlhausen ein.
Aber dann war Schluss mit lustig. „Danach kamen drei Stunden volle Granate Regen und Kälte“, so Alex. Aber er hielt durch und riss nochmal 40 Kilometer runter. Dann nix wie rein in einen schönen Biogasthof, wo es viel Selbstgemachtes gab. Sogar das Bier war von einer nahegelegenen kleinen Hausbrauerei. Sowas macht unseren Stahlross-Kapitän glücklich, wissen seine Freunde.
Bisher läuft es bei unserem Abenteurer von Tag zu Tag besser. Am ersten Tag war er völlig fertig. So geschafft, dass er lieber gleich beim Einchecken ein kühles Blondes runterschüttete, weil er nicht wusste, ob er es nach dem Duschen nochmal nach unten schafft. So langsam aber steigert sich seine Kondition. Und genau das ist der Plan von Alex Neubert: „Ich will durch Deutschland relativ viel Strecke machen, um fit zu werden für Frankreich und Spanien“. Denn dort wird es härter: Hitze und Höhenmeter nehmen zu.
Tag 2: Mieses Wetter und Gegenwind
Der zweite Tag verlangte Alex allerhand ab. Start in Zerbst in Sachsen-Anhalt morgens um halb neun, „und dann die ganze Zeit was in die Fresse“, berichtet er. Grund: Alex versuchte, wegen der Regenansage schneller voranzukommen und wich von den Feldwegen auf die Landstraße aus. Aber nicht lange. „Wenn einen die 40-Tonner überholen, verursacht das so einen Sog, die drücken Dich weg.“ Das war super anstrengend und gefährlich, deshalb ging´s wieder zurück auf die sicheren Feldwege.
Alex fährt übrigens mit Hilfe der KOMOOT-App. Dort kann er die gewünschte Strecke und den gewünschten Schwierigkeitsgrad eingeben. Wählt er zum Beispiel „MTB“, schlägt die Anwendung ihm extreme Strecken vor, für die man sehr viel Zeit benötigt.
Alex bevorzugt Tourenvorschläge in der Rubrik „normales Radfahren“. Dann findet er schöne Radwege, vermeidet große Straßen und radelt gemütlich durch romantische kleine Dörfer.
Dem 62-Jährigen ist es ganz wichtig, dass die Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen, warum er diese Tour macht. Es gibt zwei Gründe. Grund 1 ist sein teures Rad, das er persönlich nach La Palma bringen möchte, „weil es das verdient hat“. Grund 2: „Ich möchte wissen, ob ich das noch kann, aber ich lasse alles offen“.
Wenn er an seine körperlichen und seelischen Grenzen kommt, gibt er auf, sagt Alex. Um es nicht soweit kommen zu lassen, hat er sich zehn Tage „Luft“ eingeräumt, um ab und zu mal weniger Stunden oder auch mal einen Tag gar nicht zu fahren. Alex: „Zunächst versuche ich, Breisach am Rhein zu erreichen und dann geht´s quer durch Frankreich. Ich plane mehr oder weniger spontan und bin selbst gespannt, ob ich es schaffe.“