Die Kanarenkiefer
Ein Baum trotzt Feuer und Lava
Oh Tannenbaum? Nein, abhacken und mit buntem Firlefanz schmücken, geht nicht – Kanarische Kiefern stehen unter strengem Naturschutz! Das bewahrt sie vor weihnachtlichen und anderen Übergriffen der Menschen… Gegen Attacken aus der Natur allerdings hat sich die Pino Canario im Laufe der Zeit selbst zu wehren gelernt. Hier kommt eine Geschichte über einen Baum, der die Herausforderung liebt und ein wahrer Survival-Artist ist.
Über die Kanarenkiefer ist schon viel geschrieben und geforscht worden. Aber es gab bisher keine wissenschaftlichen Dokumente, wie sich ein Vulkanausbruch auf das für seine Widerstandskräfte gegen Feuer berühmten Nadelgehölz auswirkt. Das hat sich mit der Eruption 2021 auf La Palma geändert: Ein Team von Biologen und Vulkanologen machte sich ungeachtet von Gefahren wie Pyroklasten-Regen und Gaswolken an die Arbeit, während der Tajogaite noch am Wüten war.
Teammitglied María Guerrero, Doktorandin für Biodiversität an der Universität von Málaga, veröffentlichte im Herbst 2022 eine der grundlegenden Erkenntnisse der Studie in den sozialen Netzwerken: „Die Pinus canariensis zeigte sich während der Eruption als sehr widerstandsfähig, was beweist, warum sie seit 14 Millionen Jahren auf den Kanarischen Inseln vorkommt und inmitten von Vulkanen überlebt hat“.
Die Vulkanresistenz des Baums mit den langen grünen Nadeln dokumentierte schon am 27. Dezember 2021 ein Foto von Ángel Pomares: Es zeigte eine Kanarenkiefer in der Nähe des gerade erst erloschenen Vulkans, die mit grünen Blütenaugen neugierig aus einem schwarzverkohlten Stamm blinzelt – und seitdem haben dies unzählige ihrer Verwandten im Bereich um den Tajogaite-Kegel getan.
In 14 Millionen Jahren lernte die Pinus Canariensis, sich gegen Hitze- und Pyroklasten-Attacken auf dem aus Vulkanen geboreren Kanarenarchipel zu wehren – im Gegensatz zu ihren Schwestern auf dem spanischen Festland, die deshalb etwas zimperlicher reagieren, wenn´s mal brenzlig wird. Forschende fanden heraus, dass der immergrüne Baum auf den Inseln gelernt hat, große Mengen an Reserve-Nährstoffen zu speichern und in der Lage ist seine Krone zu regenerieren. Doch vor allem die dicke Borke, die bei alten Bäumen bis zu 50 Schichten aufweist, wirkt als massives Schutzschild: Bei großer Hitze verkrustet die Rinde statt zu verkohlen – der so eingeigelte Stamm bleibt intakt, schläft und treibt wieder aus, wenn die Gefahr vorüber ist. Obendrein verhindert die schiere Größe der Pino von im Schnitt 15 bis 25 Metern, dass sie von sich ansammelnder Vulkanasche schnell erstickt werden kann.
Dank diesen Anti-Katastrophen-Genen entkommt das Wunder der Natur immer wieder sozusagen mit heiler Haut auch Waldbränden, die über die Inseln fegen. Dabei hat die Kanarenkiefer einen weiteren Überlebenstrick auf Lager: Ihre Zapfen öffnen sich oft erst durch die große Hitze eines Feuers und streuen ihre Samen aus. Anschließend bewässert sich der Baum selbst, indem er mit seinen bis zu 35 Zentimeter langen Nadeln das Wasser aus dem Nebel kämmt. Dabei sammelt sich die Feuchtigkeit am Ende der Nadel und tropft auf den Boden, wo die tiefen Pfahlwurzeln schon durstig darauf warten.
Fazit: Die Pino Canario wächst auf den Kanaren in feuchten Höhenlagen und hat es generell gern eher warm. Auch außerhalb der Inseln der Glückseligen gedeiht sie im Topf und kann sogar zum Bonsai gestutzt werden, allerdings mag sie überhaupt keinen Frost. In der Natur wird die Kanarenkiefer bis zu 400 Jahre alt, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen: Auf La Palma steht die älteste ihrer Art vor der kleinen Kirche oberhalb von El Paso mit geschätzten 800 Jahren unter besonderem Schutz.
Dass nur wenige ihrer Art so alt wurden, ist den Menschen zu verdanken. Jahrhundertelang wüteten sie mit der Axt im Walde, wobei sie es insbesondere auf das harzige, wasser- und schädlingsresistente Tea-Holz des Kerns abgesehen hatten. Balken, Balkonbrüstungen und Fenster in alten Kolonialgebäuden auf dem Archipel legen noch heute jede Menge Zeugnis davon ab.
Deshalb hält längst der Naturschutz seine Hände über die Pino Canario. Sogar über die Exemplare, deren Kronen in privaten Gärten Schatten spenden. Will man sie entfernen, muss die Umweltbehörde ihren Segen dazu geben. Die Kehrseite der Rettungsmedaille: Der gut behütete Wuchs führt dazu, dass sich die Kanarenkiefer wunderbar vermehrt und in Waldrandgebieten immer näher an die Häuser rückt. Das ist nicht ungefährlich, denn ein Feuer kann schnell auf die Gebäude überspringen.