Kulturvandalismus auf La Palma – Eine Zeitenwende der besonderen Art
Ein Gastbeitrag von Professor Harald Braem – Titelbild von Jorge Pais
La Palma – unsere Isla Bonita – ist ein Natur- und Kulturreservat von einzigartiger Bedeutung. Dies betrifft nicht nur die endemische Pflanzenwelt (deren Nutzen für die Medizin noch lange nicht erforscht ist) und einige seltene Tierunterarten, sondern auch die Relikte der Ureinwohner. Ihre Felsgravuren (Petroglyphen) sind Botschaften an uns, die wir bis heute nicht entschlüsseln können.
Die archäologisch interessanten Wohn- und Kulthöhlen, ihre Versammlungsplätze (Tagoror), alte Wege, bestimmte Quellen und Waldgebiete unterliegen dem Schutz des Welterbestatus. Sie wurden an vielen Stellen mit Infotafeln in Spanisch, Englisch, zum Teil auch in Deutsch ausgestattet. Es gibt neue Interpretationszentren, die man unbedingt besichtigen sollte: Tendal an der Strecke Puntallana/Los Sauces (Museum, Bistro, Führungen zu den Höhlen) oder Benehauno an der alten Straße von El Paso (Petroglyphen, Museum, Film). Einige Felbildstationen wurden durch Umzäunung geschützt.
Dennoch macht der Vandalismus vor nichts halt. Ja, er nimmt sogar noch zu.
Es ist noch gar nicht so lange her, da verschwand plötzlich der so genannte rote Seelenstein von Garafia. Abbildung und Beschreibung in H. Braem, Auf den Spuren der Ureinwohner, Zech Verlag, ISBN 978-84-934857-3-3. Nach langem Suchen wurde er in einem Gebüsch weiter oberhalb seines ursprünglichen Standorts gefunden. Leider zerbrochen. Sollte er abtransportiert werden? Wurde die Beute zu schwer, fiel sie hin und zerbrach? Oder, noch schlimmer: Handelt es sich um mutwillige Zerstörung?
Jorge Pais, der Direktor des archäologischen Museums in Los Llanos, dokumentierte jüngst den Raub einer Steinplatte mit Petroglyphen. In Zarzita, einer heiligen Stelle der Ureinwohner, aus der Wand gebrochen. Kunstraub dieser Art wurde vor Jahren bereits von El Hierro (archäologisches Sperrgebiet El Julan) gemeldet, von wo größere Lavaplatten abtransportiert worden sind.
Jetzt, am 1. März 2024, stellen wir bei einer Inspektion im Gebiet Mazo (Tigalate Hondo) fest, dass in der Kulturhöhle Cueva Lucia die dort liegende Figur einer Muttergottheit (Tara?) ebenfalls zertrümmert wurde. Beine, Schenkel und Vagina sind verschwunden. Der Kopf liegt separat. Die Lavaplastik, von der jetzt nur noch ein Torso übrig bleibt, ist von besonderer archäologischer Bedeutung. Sie muss aus vorspanischer Zeit stammen, denn am Korpus sind an mehreren Stellen uralte schriftartige Zeichen vorhanden, die wie eingekerbte Tätowierungen wirken. Sie wurden von Wissenschaftlern als berberisch-libysch oder noch älter eingestuft.
Zum Glück hatte der Direktor der Asociación Iruene La Palma, Miguel Gonzales, 2020 den Urzustand noch fotografiert und ausführlich dokumentiert: Iruene Nr. 12, ISBN 978-84-122237-2-9.
Was geht hier vor?
Angesichts der nun erfolgten Zerstörung fragt man sich: Was geht hier vor? Wer handelt so? Die Vorgänge erinnern fatal an fanatische Missionierung, Inquisition, Bildersturm, Bücherverbrennung … Sind das skrupellose Kriminelle oder durchgeknallte Psychopathen, die ihren Hass austoben? Was können wir dagegen tun? Noch mehr einzäunen, vergittern? An Verstand und Anstand appellieren?
Wir haben nur diese eine Erde. Unser La-Palma-Paradies. Mit allen seinen Schätzen. Die gehören der gesamten Menschheit und nicht nur einem einzelnen Verrückten! Wir müssen die Dinge schützen. Für uns, unsere Kinder und Enkel. Deshalb meine dringliche Bitte: Seien Sie wachsam unterwegs, wandern Sie mit offenen Augen durch die Landschaft. Melden Sie jeden Fund, jede Beobachtung im archäologischen Museum in Los Llanos. Nur Mut! Sie werden sehen: Es gibt keine Probleme. Nur Lob und Anerkennung. Und Sie tun eine gute Tat.
Prof. Harald Braem, März 2024