Leute aus dem Buch Lavasteinzeit:
Menschenskinder, wie geht´s weiter?
In meinem Buch Lavasteinzeit berichte ich vom Vulkanausbruch, aber auch von Menschen, die direkt oder indirekt betroffen waren. In der Rubrik La Palma-Fanclub will ich zeigen, was einige von ihnen nach der Katastrophe machen.
Claudia
Sie darf in der Kategorie Leute aus dem Buch natürlich nicht fehlen: Claudia Gehrke, die Verlegerin meines Buches Lavasteinzeit. Sie war zwar während des Vulkanausbruchs in Tübingen, wo der Konkursbuchverlag seinen Sitz hat, aber Claudia fieberte ständig mit. Grund: Sie liebt La Palma, und die Isla Bonita zieht sie seit 40 Jahren magisch an. Jetzt liegt das Haus im Gebiet El Paraíso, in dem sie hier lebte und Bücher herstellte, unter der Lava begraben. Claudia vermisst dieses ruhige, für ihre Arbeit perfekt geeignete Refugium sehr, kommt aber bei ihren Inselbesuchen zum Glück bei FreundInnen unter. In meinem Buch widmet sie ihrer zweiten Heimat und ihren palmerischen Nachbarn das Schlusswort. Hier ein Auszug, der ahnen lässt, wie nahe ihr der Vulkanausbruch gegangen sein muss:
Im Lauf der Jahre bauten die Kinder und später die Enkel des Nachbarpaares weitere Häuser auf das Gelände. Ein Familiendorf wuchs, und wir gehörten dazu. Die Familiengeschichten in dem Dorf böten Stoff für Romane… Das Dorf lag unterhalb der im Frühjahr märchenhaft blühenden Cabeza de Vaca, um die Häuser Gärten voller Früchte. Mein Arbeitsplatz war in der windgeschützten Ecke des L-förmigen Hauses. Der weite Blick nach unten und nach Süden hat mir viele Glücksgefühle beschert. Tausende von Sonnenuntergängen, Wolkenformen, Himmelsfarben. Manchmal pflückte ich Orangen aus den Wolken. Ich sah über unseren großen, terrassierten, wilden Garten und den ganzen heute unter Lava begrabenen Teil des Tals, Häusergruppen, viel Grün, die beiden Berge, den Todoque- und den La Lagunaberg, das Meer, links ins Blickfeld kam 1993 die Spitze des Leuchtturms hinzu…
… Die Nachbarn waren alle in ihren Häusern, nicht evakuiert, da niemand dachte, dass es so schnell gehen würde und es weiter südlich vermutet wurde. Doña P. hat es bildhaft erzählt. Ein normaler Sonntag. Sie saß wie immer in dem Zimmer, in dem sich alle trafen, wo gegessen wurde, zwischen Küche, Bad und Schlafzimmer, und nähte wie immer Decken aus Stoffvierecken, während ein Film im TV lief, als der Enkel – der ist bald vierzig Jahre alt – mit aus Tiefe kommender Stimme voller Angst, so habe er noch nie gesprochen, reinkam und sagte: der Vulkan! Alle sind raus, so wie sie waren, die Enkel, die Urenkel, die Tochter hatte gerade gebadet. Die Nachbarin träumt heute noch davon. Es war wahnsinnig nah, circa 300, 400 Meter von uns entfernt. Nordöstlich der Montaña Rajada, zu der wir oft spazieren gingen, ist in unserer Richtung. Wie eine Atombombe. Sie fuhren sofort weg, nur mit dem, was sie anhatten. Und durften, da es so nah an der Eruptionsstelle die Gefahr von zu viel Gas gab, nie zurück, obwohl der Lavastrom die ersten Wochen nicht direkt zu uns lief. Er kam die Alcalá herab, und bog nicht in die Calle El Frontón ab…
Miguel Ángel Morcuende kommt in meinem Buch Lavasteinzeit ein paarmal vor. Denn er gab als technischer Direktor des PEVOLCA-Komitees bei den täglichen Pressekonferenzen den Stand des Vulkangeschehens bekannt. Außerdem war er für die Leitung und Koordinierung aller Aktionen im Rahmen des Plan de Emergencias Volcánicas Canarias zuständig – und nimmt diese verantwortungsvolle Aufgabe auch in der postvulkanischen Phase wahr. Dafür und für seinen jahrelangen Einsaz als Leiter der Rettungsdienste auf La Palma hat die Inselregierung Miguel Ángel Morcuende kürzlich zum Hijo Adoptivo de la Isla ausgewählt. Außerdem ehrt ihn das spanische Königspaar am 12. März 2022 mit dem Landesorden für Verdienste im Zivilschutz. La Palmas Präsident Mariano Zapata würdigt den Ehrensohn der Insel mit folgenden Worten:
„Seine umfangreiche Karriere ist auf allen kanarischen Inseln und in ganz Spanien bekannt. Bei seiner Arbeit während der Eruption hat Miguel Morcuende seine Professionalität erneut unter Beweis gestellt.“
LeserInnen der Lavasteinzeit werden sich auch fragen, was aus Gaby und Ángel geworden ist, deren Familienanwesen in Todoque von der Lava am 29. September zermalmt wurde (siehe Foto oben vor dem Vulkanausbruch). Die beiden leben derzeit – wie viele andere Vulkanopfer auch – unter sehr beengten Verhältnissen. Gaby und Ángel schreiben, dass das keine dauerhafte Lösung sein kann:
Hallo an alle! Wir möchten uns herzlich bei allen bedanken, die für uns gespendet haben! Dank Eurer Hilfe haben wir inzwischen ein Häuschen in Fuencaliente gefunden, in das wir demnächst umziehen werden.
Autovermietungen Monta und La Palma 24
Immer wieder rufen mich Freunde an und fragen, was die Lava verschlungen habe, beziehungsweise, was noch stehe. Insbesondere wenn sie ihren Urlaub planen. Sie interessieren sich zum Beispiel für die Monta Rent a Car-Autovermietung, die früher im jetzt von Lava bedeckten Teil im Camino Cumplido von La Laguna ihren Sitz hatte, oder für die von La Palma 24, deren Büro in Todoque ebenfalls verschüttet wurde. Max von Monta informiert:
Wir sind nach wie vor 100 Prozent im Einsatz – jetzt allerdings im Zentrum von Los Llanos in der Calle Fernandez Taño 5, das ist gleich an der Plaza Chica hinter der Kirche. Hier finden unsere KundInnen persönliche Ansprechpartner vor – wie früher im Camino Cumplido. Die Mietwagen können hier natürlich nicht geparkt werden, sondern stehen auf Wunsch wie immer beispielsweise am Flughafen bereit. Alle weiteren Infos und Buchungen wie üblich im Internet. Übrigens hat die Autovermietung von La Palma 24 nur 50 Meter von uns entfernt ebenfalls ein Büro angemietet.
Silke
Silke führt den Kunsthandwerk-Laden namens Gecko in Puerto Naos und wohnt auch dort. Sprich: Bis heute wartet sie auf die Rückkehr, denn der Badeort im Westen von La Palma ist immer noch wegen hoher Gaskonzentrationen evakuiert. Mit Silke bin ich seit vielen Jahren befreundet, und natürlich habe ich sie in meinem Buch verewigt. Deshalb weiß ich auch, dass sie ein großes Herz – nicht nur für Tiere – hat. Und das zeigte sich wieder mal in der Zeit des Vulkanausbruchs. Unter anderem half sie in der ehemaligen JTI-Tabakwarenfabrik in El Paso (siehe Foto oben), die während des Vulkanausbruchs unter anderem als Spendenlager diente:
Mein Freund, meine Mama, zwei Katzen, ein Hund und ich haben Puerto Naos zwei Stunden vor der Evakuierung verlassen – aus einem Gefühl heraus. Wir sind nach Tendiña zur Schwester meines Freundes gefahren, und ich dachte, wir könnten abends wieder nach Hause, weil die Vulkanampel stand ja noch auf Gelb. Zwei Stunden später brach der Vulkan aus. Dann kamen noch die Eltern meines Freundes dazu, und so verbrachten wir die ersten zehn Tage: sieben Personen, vier Hunde und drei Katzen in dem Häuschen in Tendiña mit einem Schlafzimmer, Wohnküche und Bad… Angst und Sorge um Freunde und Bekannte, die Geräusche des Vulkans und die Erdbeben raubten uns den Schlaf. Dann begann mein Freund bei dem Versicherungsmakler Simon Broker in Los Llanos zu arbeiten, wo ich viele Leute kennenlernte, die Hilfe brauchten. Viele im vom Vulkan betroffenen Gebiet waren Deutsche, hatten wenig Sprachkenntnisse und wussten anfangs nicht, wohin sie sich wenden sollten. Sie standen da mit vielleicht zwei Unterhosen, den wichtigsten Papieren und ein paar Hygieneartikeln, mehr konnten die meisten am Anfang gar nicht mitnehmen. Und so begann ich, die Leute zu den Registrierungszentren für die Evakuierten und zu der Ausgabestellen von Kleidern, Lebensmitteln und Medikamenten zu begleiten. Dass habe ich ziemlich lange gemacht. Dann half ich in El Paso in der alten Zigarettenfabrik viermal die Woche, die weltweit gespendeten Güter zu sortieren, es waren unzählige Pakete auch von Privatleuten mit Kleidung, Hygieneartikeln, Masken, Lebensmitteln, Decken, Kissen, Tierfutter – alles, was nötig war. Und bis jetzt helfe ich den Leuten mit den Papieren auch bei der Schadensregulierung ihrer unter der Lava versunkenen Häuser beim Consorcio. Viele haben Angst, was falsch zu machen. Anfangs waren es die Totalverluste, aber sogar jetzt kommen noch immer täglich Meldungen im Blick auf Ascheschäden oder auf Häuser, die die zwar noch stehen, aber nicht mehr bewohnbar sind. Das alles war am Anfang ziemlich hart, zumal wir ja auch selbst betroffen waren – und wir können ja immer noch nicht nach Hause. Aber ich habe das gerne gemacht, die Leute brauchten einfach jemanden, mit dem sie ihre Sorgen und Trauer teilen konnten.
Manolo und die Tihuya Cats
Manolo Villalba und seine Band Tihuya Cats bringen bei ihren Rock´n´Roll-Konzerten auch den faulsten Fuß zum Zucken. Außerdem gehört Manolo zu den letzten Handwerkern, die noch Lanzen für den berühmten kanarischen Hirtensprung fertigen. Deshalb ist er Teil meines Buches Lavasteinzeit, denn ich will darin ja nicht nur das unter der Lava versunkene La Palma zeigen. Und natürlich hat der populäre Kontrabassist und Lanzenbauer aus El Paso während des Vulkanausbruchs nicht die Hände in den Schoß gelegt:
Die Ereignisse waren derart schockierend, dass ich von der ersten Minute an als freiwilliger Helfer im Einsatz war. Ich fuhr eines der Notfall-Autos der Gemeindeverwaltung, die zum Beispiel Essen zu den Hilfskräften brachten. Wir halfen außerdem den Menschen, ihre Häuser auszuräumen und ihre Möbel zum Lager in der ehemaligen JTI-Fabrik in El Paso zu bringen oder auch im Bereich der Tierrettung. Im Blick auf die Tihuya Cats gibt es gute Nachrichten: Am 5. März konnten wir im Hotel Princess in Fuencaliente auftreten, wo ja noch immer vom Vulkan Betroffene untergebracht sind. Dort spielen wir in nächster Zeit jeden zweiten Sonntag, also das nächste mal wieder am 20. März. Außerdem gibt es am 17. März ein Konzert im Instituto in El Paso, am 18. März nachmittags eines beim St. Patricks Day auf der Plaza de España in Santa Cruz und eines am 26. März beim Festival de Paso in El Paso.
Pedro Sanz und Iosune Lizarte – Flamenco entre Amigos
Pedro Sanz und Iosune Lizarte gehören zu den musikalischen Botschaftern von La Palma. Mit ihrer Band Flamenco entre Amigos, deren Besetzung sich immer mal wieder ändert, unterhalten sie nicht nur Einheimische und Inselgäste, sondern touren auch seit vielen Jahren immer im Sommer durch Mitteleuropa. Pedro erzählt, wie sie den Vulkanausbruch aus der Ferne erlebt haben, und welche Gefühle sie bei der Heimkehr auf die Insel bewegen:
Meine Partnerin, Iosune Lizarte und ich waren auf unserer Sommerkonzertreise in Deutschland, als der Vulkan ausbrach. Von diesem Moment an bis zum Ende unserer langen Europatournee Ende November waren unsere Konzerte etwas schwieriger zu spielen: Unsere Herzen und Gedanken waren auf der Insel und bei unseren Freunden auf La Palma, die Tag für Tag ihre Häuser und alles, wofür sie ihr Leben lang gekämpft hatten, verloren…
Es war sehr traurig für uns, zu sehen, wie die Menschen auf der Isla Bonita leiden.
Auch unser liebes deutsches Publikum war sehr sensibel für die Situation, und die Leute haben uns gefragt, wie sie helfen können und haben wirklich ihr Bestes getan, um Spenden zu schicken und dieses Unglück ein wenig zu lindern. Wir haben auch einige Konzerte gegeben, bei denen wir Geld für die Opfer des Vulkans gesammelt haben.
Als wir nach La Palma zurückkehrten, lag der Vulkan bereits in den letzten Zügen, und einige Tage später hörte er endgültig auf. Die Geschichten der Menschen, mit denen wir gesprochen haben, sind wirklich hart und schwer zu verdauen, aber was wirklich schön ist: Die Menschen auf La Palma sind mehr denn je vereint. Sie bemühten sich, einander so weit wie möglich zu helfen und sich gegenseitig zu ermutigen, obwohl es wirklich schwierig war und ist.
Wir haben mit vielen Betroffenen gesprochen, und nach und nach bauen sie ihr Leben wieder auf, akzeptieren die Dinge, wie sie sind, und blicken in die Zukunft. In solchen Situationen müssen wir weiterkämpfen, und diese Erfahrung hat uns geholfen, besser zu werden, und hoffentlich wird sie uns eine bessere Zukunft bringen.
Nach einer langen Tour von fünf Monaten in Europa und mit den Koffern durch unzählige Städte in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Spanien, war es auch unser Wunsch, nach Hause zu kommen und den Winter zu organisieren. Da wir in Puerto Naos leben, war es uns nicht möglich, nach Hause zurückzukehren, und wie viele andere sind wir evakuiert und versuchen, uns so gut wie möglich anzupassen. Vielleicht müssen wir eine neue Sommertour “Tour 2022” mit demselben Gepäck unternehmen und hoffen, dass wir bei unserer Rückkehr nach Puerto Naos zurückkehren können.
Hoffen wir es!
Giovanni
Giovanni Tessicini hat mir ebenfalls Fotos für mein Buch Lavasteinzeit zur Verfügung gestellt: Vom Telescopio Nazionale Galileo, denn er arbeitete im TNG vor seiner Pensionierung, und vom Roque de Los Muchachos und den Observatorien unter der Milchstraße. Gianni gehört zu den besten Sternenfotografen der Insel. Schon mehrmals hat er beim Astrofoto-Wettbewerb von La Palma Preise eingeheimst, und schließlich brachte er auch den Bildband Impressions from La Palma heraus. Ohne viel Text, schmunzelt Giovanni, denn Bilder sagen mehr als tausend Worte. Den Vulkanausbruch hat der Meister der Kamera natürlich auch ins Bild gebannt, ansonsten gehörte er zu den Glücklichen:
Ich wohne in der Hauptstadt Santa Cruz im Osten von La Palma, habe also nicht unter der Eruption gelitten und auch keine Freunde oder Verwandte, die vom Vulkanausbruch persönlich betroffen waren. Aber natürlich verfolgte ich jeden Tag mit Schrecken in den Medien, was da im Westen der Insel alles passierte – fürchten musste ich mich allerdings niemals. Im Blick auf meine Fototour muss ich sagen, es war ein unglaublich emotionales Erlebnis, zum ersten Mal in meinem Leben einen Vulkanausbruch live zu erleben.
Meine Familie
Selbstverständlich kommt meine Familie in meinem Buch auch vor – vor allem von meiner Mutter Susanne gibt es eine sehr amüsante Geschichte zu erzählen, die was mit Bootfahren und charmanten Kapitänen zu tun hat – ich hoffe, sie gibt mir dafür keinen Hausarrest. Meine Mutter und meine Tochter Stephanie haben mich in den drei Monaten Vulkanterror ständig angerufen und mich gefühlsmäßig aufgebaut, das hat unglaublich gut getan. Fällt übrigens jemandem auf, dass meine komplette Familie tolle, von mir gestrickte Schals trägt und ein Weihnachtsbaum im Hintergrund leuchtet? Das Foto haben sie gemacht, um mir zu zeigen, dass sie meine “bestrickenden” Geschenke toll finden. Wahr oder gelogen? Egal. Hier ist ihre Sicht der Vulkangeschichte:
Der 19.9.2021 – den Tag des Ausbruchs habe ich noch sehr genau in Erinnerung. Von Mama wusste ich bereits, dass seit einiger Zeit auf La Palma eine Eruption befürchtet wurde. Erst das Feuer bei El Paso – jetzt noch ein Vulkanausbruch. Mama scherzte noch mit „Liebe Grüße von der Katastropheninsel“ …Die Ampel stand auf Gelb, und Mama berichtete mir von zahlreichen Erdbeben, die sie selbst gespürt hat. Das allein war schon beängstigend, aber dennoch, irgendwie dachte ich für mich: Ach was, da bricht doch kein Vulkan aus, sowas passiert doch nicht wirklich…. Am Tag des Ausbruchs, eigentlich nur 6 Minuten vor dem Knall, schrieb Mama, dass sie die kommende Nacht im Zelt schlafe, der „Rumpler“ am Morgen habe ihr nun wirklich zu denken gegeben…. Sechs Minuten später ein Bild von ihr via Whatsapp mit dem Zusatz: „Vulkänchen ist da“… wenn man bedenkt, was dieses Vulkänchen die folgenden drei Monate angerichtet hat, war diese Bezeichnung alles andere als passend. „Alles verschlingendes Riesenmonster“ hätte wohl eher zugetroffen.
Die Zeit danach war auch für uns in Deutschland eine Zeit des immerwährenden Hoffens und Bangens, um Mama und Harry und natürlich auch, um die vielen Menschen, die ihr Zuhause verloren. Wir blieben so gut es ging in Kontakt, und Mama hielt uns unermüdlich auf dem aktuellsten Stand. Die Angst um unsere Lieben war groß und auch, ob unser Haus ebenfalls dem gefräßigen Vulkan zum Opfer fallen wird. Die Wünsche und Hoffnungen auf ein baldiges Ende waren ein täglicher Begleiter.
Ich selbst komme schon seit mehr als 20 Jahren regelmäßig nach La Palma. Und ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass dieses schöne Fleckchen Erde plötzlich nicht mehr so aussieht wie ich das in Erinnerung habe – dass einfach gewisse Orte und Stellen „weg“ sind… Mehrmals habe ich Mama gefragt, ob sie nicht die Insel verlassen möchte, aber das kam für sie überhaupt nicht in Frage. Das Haus sollte bis zuletzt „beschützt“ werden. Ich konnte nur immer wieder bewundern, wieviel Durchhaltevermögen Mama und natürlich auch die anderen an den Tag gelegt haben, um diese „unwirkliche“ Zeit auf der geliebten Insel, die ihre neue Heimat geworden ist, durchzustehen. Chapeau!
Auch meine Oma Susanne möchte auf diesem Wege etwas sagen: “Ich hatte große Angst um meine Tochter und deren Mann, als sie mir erzählte, dass der Lavastrom nur ein paar hundert Meter vom Haus entfernt vorbeifließt. Bei jedem Telefongespräch hatte ich die Hoffnung, dass der Vulkan aufhören wollte zu sprudeln, aber das tat er nicht. Ich habe meine Tochter sehr bewundert, mit welcher Ruhe und Besonnenheit sie die schlimme Zeit gemeistert hat.”
Tim
Tim Bengel ist ein 29 Jahre junger, deutscher Künstler, von dem man längst international als “Shooting-Star” spricht. Seine detaillversessenen Arbeiten aus Sand und Blattgold eroberten nach seiner ersten Einzelausstellung 2017 in New York die großen Galerien des Planeten sozusagen im Sauseschritt. Im Privatleben ist der “Sandmann” tatsächlich der Neffe meines Mannes Harry – und das hat ihm einen kleinen Auftritt in meinem Buch Lavasteinzeit beschert. Denn Tim war schon als kleiner Bengel auf La Palma und hat bis heute eine Verbindung zur Isla Bonita. Deshalb fand er auch meinen Vorschlag, zur Abwechslung mit Vulkanasche vom noch immer namenlosen Feuerspucker statt mit normalem Sand zu arbeiten, gar nicht mal so schlecht:
Ich finde die Idee von Gudrun prinzipiell sehr spannend. Deshalb habe ich bei ihr jetzt mal fünf Kilo Vulkansand aus La Palma bestellt. Ich werde in nächster Zeit damit experimentieren und schauen, ob ich sie in meine Werke einarbeiten kann. (Anmerkung Gudrun: Ich bin auch neugierig und hoffe, dass Tim uns alle auf dem Laufenden hält…)
Anita, Stephan & Schnurry
Auch die wunderschöne Anlage von Anita und Stephan in Todoque (siehe Foto) gibt es nicht mehr. Die beiden Schweizer hatten allerdings Glück im Unglück und berichten hier von einem fast unglaublichen Wiedersehen mit ihrer Katze Schnurry.
Als der Vulkan uns alles genommen hat, haben wir beschlossen, nie mehr nach La Palma zu gehen. Wir mussten aber nochmals auf die Insel, um einiges zu klären, wofür wir aber nur vier Tage brauchten, und anschließend flogen wir noch zehn Tage nach Teneriffa. Dort haben wir allerdings sofort gemerkt, dass La Palma unsere Insel ist. Wir kommen schon seit 25 Jahren auf die Isla Bonita, und sie ist zu unserer zweiten Heimat gworden. Wir kennen hier sehr viele liebe Menschen und werden deshalb immer wieder kommen. Wir haben aber beschlossen, keine Wohnung und kein Haus mehr zu mieten, sondern gehen voraussichtlich wieder ins Hotel Benahoare in Los Llanos. Das hat uns sehr gut gefallen, denn es liegt mitten im Zentrum, ist dennoch sehr ruhig und sehr gut.
Eine besondere Erwähnung bedarf die Geschichte unserer Katze Schnurry, die sechs Jahre lang auf unserem Grundstück in Todoque gelebt hat. Als der Vulkan ausbrach, waren wir in der Schweiz, aber wir hatten Freunde beauftragt, Schnurry zu füttern. Als unser Anwesen vom Vulkan gefressen wurde, haben wir damit gerechnet, dass nun auch Schnurry im Katzenhimmel ist und haben zum Abschied Fotos vom Haus und von Schnurry verschickt. Plötzlich kam von der palmerischen Tierschutzorganisation Benawara eine Anfrage mit einem Video, ob das unsere Katze sei. Wir konnten es kaum glauben: Es war tatsächlich Schnurry! Da haben wir sofort mit Benawara Kontakt aufgeommen, und vier Wochen später sind wir nach La Palma geflogen, um unser Schnurry in die Schweiz zu holen. Wir möchten der Auffangstation für die vom Vulkan betroffenen Tiere Dank sagen, die freiwilligen Helfer haben sehr gute Arbeit geleistet. Und wir haben auch gespendet, denn noch immer gibt es viele Tiere, die nicht wie unser Schnurry ein Heim gefunden haben.
Spendenkonto Benawara: Código BIZUM 03948 – ES96 2100 7104 0002 0005 0887, aus dem Ausland SWIFT (BIC) CAIX ES BB XXX
Anmerkung Gudrun Bleyhl: Ich habe über den Verein Benawara zu meinen Zeiten als Redakteurin des La Palma 24-Journals einmal einen Artikel geschrieben.
Silvie & Andi
Silvie und Andi verloren ihr Haus in La Laguna an den Vulkan. Aber sie waren zum Glück versichert und haben sich inzwischen ein neues Domizil in El Paso zugelegt. Dort haben sie fleißig renoviert und dabei auch jede Menge Erde für eine neue Terrasse ausgehoben. Das war ein Stück Glück für mich, denn dieser wertvolle Boden ist inzwischen in mein poolisches Hochbeet gewandert (siehe Home-Stories) und sorgt dafür, dass die Radieschen und andere Gemüschen fröhlich wachsen. Lange werden Silvie und Andi allerdings nicht mehr in El Paso bleiben – sie sind immer nur den Winter über auf La Palma. Bald heißt es für sie wieder “Leinen los”:
Wir möchten dieses Jahr wieder mit der ORIZON unterwegs sein. Diesen Sommer wollen wir weiter durch Griechenland segeln und das schöne Mittelmeer erkunden. Wir werden diesen Segeltörn wie immer in vielen Videos festhalten, die man bei YouTube “Sailing Orizon” verfolgen kann.
Uli
Ulrich Spering ist seit mehr als 20 Jahren mit Harry und mir befreundet. Wir lernten uns einst an der Playa Nueva beim Montagsessen kennen, von dem ich in meinem Buch Lavasteinzeit erzähle. Uli war einer der wenigen, die schon damals, in der heute kaum noch vorstellbaren Zeit ohne Fotohandys, immer fotografierte. Aus diesem großen Schatz hat er mir einige Bilder zur Illustration meines Rückblicks auf die nun unter der Lava versunkene Playa Nueva gegeben. Wir nennen ihn übrigens Bau-Uli, denn er ist in Sachen biologisches Bauen seit ewigen Zeiten ganz weit vorn:
Schon seit mehr als 20 Jahren bin ich ein Fan der Insel, habe hier meine Firma Construal und später eine Niederlassung in Deutschland gegründet. Seitdem pendle ich ständig hin und her. Tatsächlich war ich auch kurz vorm Vulkanausbruch auf La Palma – ich flog mit meiner Frau Florence am 18. September zurück, und am 19. September war ja der Tag X. Wir standen erstmal unter Schock und wussten anfangs gar nicht richtig, wo die Eruption war. Aber dann sagte uns Gudrun, dass der Vulkan nahe ihres Hauses ausgebrochen war – fast unglaublich: Bei Gudrun und Harry hatten wir erst kurz zuvor zusammen mit Susi und Rolf noch im Garten eine nette Fiesta gefeiert. In der Zeit der Eruption hielten wir quasi von morgens bis abends Verbindung mit Freunden über Whatsapp und schauten Videos auf YouTube an. Das war krass, denn ich sah in diesen Filmchen auch Häuser von Kunden von mir und wie die Lava durchs Fenster floss und dann alles platt machte. Der Vulkan hat auch das Haus in der Zone El Paraíso unter sich begraben, das meine Frau und ich langfristig mieten wollten. Ich habe ja auch noch Werkzeug und ein Auto auf La Palma… Aber nachdem die Lava das halbe Aridanetal überflutet hat, ist es jetzt unglaublich schwer, etwas Bezahlbares zu finden. (Anmerkung Gudrun: Wer dem Biobau-Uli was vermieten möchte, kann ihn auf seiner Website Construral kontaktieren.)
Barbara
Barbara Schlüter war während des Vulkanausbruchs nicht auf der Insel, sondern zuhause in Hannover. Aber La Palma spielt eine große Rolle in ihrem Leben, und sie hat schon fünf Bücher geschrieben, in denen die Insel vorkommt. Dabei arbeitet die Schriftstellerin abwechselnd in Deutschland und auf der Isla Bonita – und während der Eruption war sie in Gedanken fast ständig bei den Menschen auf der Isla Bonita:
La Palma kenne ich seit über 35 Jahren, habe auf der Insel an verschiedenen Orten fest oder als überwinternder Zugvogel gelebt. Seit 10 Jahren bin ich, soweit es nicht Pandemie oder Vulkanausbruch verhindert haben, im Winter auf der Insel, um zu schreiben und Lesungen abzuhalten.
Den Vulkanausbruch habe ich mit steigendem Entsetzen vom ersten Tag an morgens, mittags und abends verfolgt. Über diverse Blogs und Fotos und Videos von Freunden war ich immer auf dem Laufenden. Das schlimmste Video für mich war, als der Kirchturm im Ort Todoque umfiel und unter der Lava begraben wurde.
Während dieser Zeit habe ich keine Zeile geschrieben.
Seit dem 5. Februar bin ich wieder hier in meiner kleinen Wohnung in Tazacorte, gehöre damit sehr dankbar zu denen, die ihr Domizil noch haben. Bisher habe ich den breiten Lavastrom der Zerstörung und den namenlosen Vulkan, der immer noch Wolken ausstößt, nur von weitem gesehen. Auch den Ort El Paraíso, wo ich einst mit meinem zweiten Mann ein Anwesen aufgebaut hatte, gibt es nicht mehr – das sehe ich selbst aus der Ferne. In unterschiedlicher Form betroffen sind Viele. Diejenigen, die Haus, Hab und Gut verloren haben – bei weitem nicht alle sind versichert und/oder bekommen Geld vom Staat oder aus den Spenden… Es gibt Gegenden, die evakuiert sind wegen austretender Gase, so vor allem die Tourismusenklave Puerto Naos mit dem einzigen großen Hotel, wo die dort ansässigen Privatleute nicht in ihre Wohnungen können und die Geschäftsleute verzweifelt sind… Auch eine Straßenverbindung gibt es noch nicht wieder. Das gilt auch für Las Manchas in der Nähe des Vulkans, die Gegend ist teilweise unter meterhohen Aschebergen verschwunden. Die Häuser, die wieder freigeschaufelt wurden, sind teilweise nicht mehr bewohnbar. „Auch wenn wir zurückkehren können, es wird ein hartes Leben mit der Asche, aber wir haben keine Alternative“, sagt eine Bekannte von mir. Wasser gibt es auch noch nicht, und der Wind wirbelt die feine Asche immer wieder durch die Gegend. Daran sind weite Regionen ebenfalls beteiligt – tägliches Fegen und immer wieder Dächer säubern gehört zum Alltag auch bei mir.
Es ist derzeit sehr ruhig auf der Insel. Viele Geschäfte sind geschlossen. Ich wünsche mir, dass Touristen auf die Westseite kommen, private Quartiere und Autos von einheimischen Vermietern buchen. La Palma hat schwere Wunden erhalten, ist aber immer noch die Isla Bonita, die schöne und abwechslungsreiche Insel mit liebenswerten Menschen.